Angst macht krank
„Der einzige Ort an dem Angst existieren kann, ist in unseren Gedanken.“
T.G.
Angst zählt wie unter anderem auch Schuld, Scham oder Wut zu den sogenannten ›Basisemotionen‹. Diese in jedem Menschen verankerten, sehr intensiven Grundgefühle haben das Potential, die vernunftbegabten Teile des Gehirns zu unterdrücken, sie sogar fast komplett auszuschalten. Dies geschieht immer dann, wenn wir zulassen, dauerhaft von ängstlichen Gedanken dominiert zu werden. Irgendwann setzt eine Dynamik ein, in der sich Angstgefühle und Stresshormone wechselseitig enorm pushen, während Glückshormone, die für hoffnungsvolles Denken vonnöten sind, komplett blockiert werden. Dieser herbeigedachten Hilflosigkeit kann dann kein gesunder Gedanke mehr entgegensetzt werden. Das wiederum erschafft eine gefühlte Ausweglosigkeit, die nicht selten zu Burnout und Depressionen führt.
Besonders schädlich jedoch ist ein dauerhaftes Hormon-Wirrwarr für unser Immunsystem. Die Firewall unseres Körpers, die entartete Zellen und Krankheitserreger aufspürt, sie bekämpft und vernichtet, die Umweltgifte beseitigt und Heilungsprozesse unterstützt, wird durch anhaltendes und unkontrolliertes Angsterleben enorm in Mitleidenschaft gezogen. Insbesondere das Stresshormon Cortisol, das unseren Körper zu Beginn von Angstempfinden leistungsfähiger macht, gerät – bei ununterbrochener Angst – derart außer Kontrolle, dass enorm gesundheitsgefährdende Konsequenzen die Folge sind. So nehmen Schlafqualität, Konzentrationsfähigkeit und Libido ab. Fetteinlagerungen wie auch Muskelabbau hingegen werden gesteigert. Und last but not least kommt es zu Diabetes, Bluthochdruck und Herzerkrankungen.
Erst unlängst konnte eine US-Studie zeigen, dass Menschen, die Optimismus walten lassen, bis zu einem ganzen Jahrzehnt länger leben als jene mit einer pessimistischen Einstellung. Die Wissenschaftler konnten nachweisen, dass bereits kleine Freuden zur Ausschüttung von Glückshormonen führen, was wiederum die Immunabwehr stärkt und so vor Krankheiten schützt.
Ob der Mensch es wahrhaben will oder nicht: Jeder – und wirklich jeder – einzelne Gedanke löst bestimmte Veränderungen in seinen körperlichen Geweben aus. Die Wirkung, die eine gedankliche Vorstellung auf den Körper ausübt, bemerken wir geradezu umgehend, wenn uns beispielsweise etwas auf den Magen schlägt, uns der Schreck in die Glieder fährt oder uns etwas den Atem raubt. Ebenso führen erotische Fantasien zu wahrhaft ‚handfesten‘, körperlichen Veränderungen, wir lachen Tränen über einen Witz oder uns läuft das Wasser im Munde zusammen. All diesen körperlichen Regungen, die in Teilen des Gehirns, der Muskulatur und in den Nervenbahnen Spuren hinterlassen, liegt ein gedankliches Konstrukt zugrunde. Unser Körper dient uns so gesehen stets als Resonanzgeber. Er ist ein Feedbackmechanismus, der unfähig ist, zu lügen.
Daher ist unser aktueller körperlicher Zustand immer ein Spiegel dessen, was wir bisher tatsächlich über uns gedacht haben und denken. Anders ausgedrückt: Unser Körper ist die materiell in Erscheinung tretende Gestalt unserer Gedankenwelt.
Gefährlich wird es immer dann, wenn wir die ‚Sprache‘ unseres Körpers ignorieren. Was sagt uns denn beispielsweise ein fortwährend entkräftetes Körpergefühl? Genau, – dass wir uns hinlegen, dass wir ruhen sollten! Verweigern wir uns kontinuierlich diesem Bedürfnis unseres Körpers, zwingt er uns schließlich in die Ruhe, indem er uns im wahrsten Sinne des Wortes flachlegt. Wir dürfen dann gerne darüber nachdenken, warum wir krank geworden sind.
Natürlich ist es fahrlässig und wenig zielführend, schwer erkrankten Menschen die Eigenverantwortung für ihren Gesundheitszustand vorzuhalten. Nicht minder falsch und sträflich wäre es, in einer solchen Situation die Vorrangigkeit schulmedizinischer Therapien in Zweifel zu ziehen und auf die Heilkräfte des Geistes zu setzen. Dennoch findet Krankheit, ob nun bewusst oder unbewusst, stets in unserer geistigen Welt ihren Ursprung. Wer beispielsweise seine Lebensumstände als so beengend empfindet, dass er buchstäblich keine Luft mehr bekommt, wird vermutlich vermehrt an Atemwegserkrankungen leiden. Ein Mangel an Rückgrat und sich, nur um den Frieden zu wahren, regelmäßig zu verbiegen, wird Verspannungen, Rückenschmerzen und Bandscheibenvorfälle hervorrufen, so wie der Versuch, die unschönen Dinge des Lebens zu verdrängen und zu vergessen, oftmals in eine Demenz mündet.
Konditionierung und Glaubenssätze
„Ein Mensch ist immer das Opfer seiner Wahrheiten. “
Albert Camus
Abseits herbeigedachter, krankmachender Angst und abseits ererbter, gesunder Furcht gibt es noch einen dritten, weitestgehend auf Erziehung zurückzuführenden Angsttypus. Es ist der Zweifel. Er wurde uns bereits von Kindesbeinen an durch Konditionierungen, Schuldzuweisungen sowie Vorurteile buchstäblich eingetrichtert. Diese anerzogene Skepsis sowohl uns selbst, anderen als auch dem Leben gegenüber, begegnet uns im Übrigen auch später noch nahezu täglich. Sie begegnet uns in jenen Monologen, in denen wir uns selbst mit ziemlich abwertenden Bemerkungen regelrecht niedermachen. »Das schaffst Du nie!«, »Das kannst Du nicht!« oder »Du bist einfach viel zu ungeschickt!« flüstert die innere Stimme uns zu, und ganz nebenbei scheinen wir, ihr zu glauben und sind überzeugt, dass das Leben schwer zu sein hat, dass wir nun einmal kein Glück haben und dass es das Leben ohnehin nicht gut mit uns meint. Schlimmstenfalls reden wir uns gar ein, es nicht besser verdient zu haben.
Wir glauben, nicht schlau, nicht schlank oder nicht gut genug zu sein. Kurzum: Wir sind uns also generell nicht genug. Und als würde dies alles noch nicht reichen, – quälen wir uns womöglich auch noch ständig mit der Frage, was denn wohl die anderen von uns denken?
Was den meisten von uns nicht bewusst ist: Wir erlernen diese Selbstgespräche bereits in unserer Kindheit, und wir erlernen sie vorwiegend über die Reaktionen anderer auf uns. Und diese anderen sind vorzugsweise unsere Eltern, Erzieher und Lehrer. In dieser frühen Phase unseres Lebens, in der wir den anderen noch nicht widersprechen können und von ihrem Willen und ihren Launen abhängig sind, werden wir von ihnen mit Belehrungen und Verboten förmlich überzogen. Ungeprüft übernehmen wir ihre ‚Weisheiten‘ und machen sie zu unseren eigenen. Wir tun dies, um jene Zuwendung zu bekommen, die wir zu unserem Überleben benötigen. Anders ausgedrückt: bereits als Kleinkind beginnen wir – wenn auch zumeist unbewusst – die Verbote unserer Mitmenschen in Selbstverbote abzuwandeln und ihre Meinung zu unserer eigenen zu machen. Und dies alles nur, damit sie uns lieb haben, uns beschützen, ernähren und uns nicht allein lassen. Nimmt es da Wunder, dass ihre soufflierten Botschaften auch im Erwachsenenalter noch in uns nachhallen?
Doch all die destruktiven Glaubenssätze und abträglichen Stellungnahmen zum Leben verbleiben nur dann als fortwährendes Störprogramm auf unserer Festplatte, wenn wir sie – erstens – auch mit zunehmenden Alter ungeprüft lassen und nicht klären, warum sie das Kind in uns einst übernahm oder wenn wir sie – zweitens – einfach nur gänzlich verteufeln. Schließlich hat der sogenannte ›Kleine Professor‹, ein spezieller Part unserer kindlichen Persönlichkeit, diese Einschätzungen einst selbst erschaffen, glaubte er doch, sie seien die bestmögliche Strategie, mit der Doktrin unserer Erziehungsberechtigten umzugehen.
Inzwischen sind wir allerdings alt genug, zu widersprechen, und wir dürfen erkunden, ob die Leitsätze und Urteile, die wir wieder und wieder zu hören bekamen, tatsächlich der Wahrheit entsprachen oder ob wir sie möglicherweise nicht nur zu unserer Wahrheit gemacht haben. Denn dass das Leben schwer ist, man nichts von selbigem geschenkt bekommt, dass man gefälligst Erwartungen zu erfüllen und sich anzupassen hat, und dass Geld den Charakter verdirbt, dies alles sind Gedanken, die man nicht zwingend zu den eigenen machen muss und sollte.
Warum trotzdem so viele Menschen an derartigen Stellungnahmen festhalten, gründet darin, dass sie so ihren Verbleib in der Rolle des Opfers jederzeit rechtfertigen können und stets eine Ausrede parat haben, mittels derer sie die eigene Erfolglosigkeit und ihr Scheitern erklären können. Sich zum Spielball des Schicksals machend, schieben sie lieber anderen Menschen oder höheren Instanzen und Mächten die Schuld für das eigene Malheure in die Schuhe, als sich durch die bloße Akzeptanz der eigenen Verantwortung zu ihrer wirklichen Größe erheben zu können. So verharren sie ‚geduckt‘ in ohnmächtigen Vorwürfen gegen andere und scheinen nicht zu erkennen, dass ›ohnmächtig‹ bedeutet, ohne Macht zu sein. Mit anderen Worten: Sie ziehen die ihnen bekannte Machtlosigkeit ganz offensichtlich einer unbekannten Stärke vor.